Stimmen zur Lage der Musikszene Schleswig-Holsteins: Folge 3 Kirchenmusik

Vor Beginn der Pandemie trafen sich in der Rendsburger Gemeinde Sankt Marien wöchentlich rund zweihundert Menschen zum Chorsingen. Mitte März war damit Schluss. Volker Linhardt ist Kantor und Organist der Marienkirche. Über Sommer durfte er seine Sängerinnen und Sänger wieder anleiten - in Kleinstgruppen, draußen und mit Abstand. Seit einem halben Jahr ruht auch das. Am 9. Februar berichtete er uns, wie er Kontakt hält zu seinen Choristen.

Er sei ein Optimist, betont Volker Linhardt, aber er rechne nicht damit, mit seinem Kantatenchor sobald wieder proben zu können. Bis zu neunzig Personen singen dort mit. Selbst im großen Saal wäre es schwierig, den gebotenen Abstand einzuhalten. „Ich wage keine Prognose. Alles hängt davon ab, ob sich die Infektionsgefahr eindämmen lässt. Erweisen sich die neuen Impfstoffe als wirksam, dann wäre ein Neuanfang zum Ende des Jahres möglich. Aber es sind Mutationen im Umlauf, über die wir noch zu wenig wissen“.

Sein Publikum ist der Chor
Drei Chöre betreut Volker Linhardt in seiner Gemeinde. Er leitet noch einen Kammerchor sowie die Gemeindekantorei. Den Kontakt zu deren Mitgliedern pflegt er über wöchentliche Newsletter. Alle Personen, die er darüber nicht erreichen kann, bekommen die Neuigkeiten per Brief - „mit aufgeklebter Marke und persönlichem Einwurf im Postkasten“, fügt er fröhlich hinzu. Während des Telefonats klingelt es an der Tür seiner Kantorei. Im letzten Rundschreiben an die Sängerinnen und Sänger gab es ein Orgel-Quiz mit gut einem Dutzend Fragen zum Instrument des Jahres 2021. Die erste Gewinnerin holt ihren Preis ab: Eine der Orgelpfeifen, die Linhardt über eBay erstanden hat.

Zu den Mitgliedern in der Gemeindekantorei zählen Senioren, die mitunter seit Jahrzehnten regelmäßig zu den Proben in die Marienkirche kommen. Neben der geistigen Herausforderung, anspruchsvolle Literatur einzustudieren, lockt die Pflege sozialer Kontakte. Dazu zählen der Schnack vor und nach den Proben, die Freude über gemeinsam gemeisterte Konzerte, der Erlebnisschatz an gelegentlichen Ausflügen oder dem Kinobesuch. Das alles kann Volker Linhardt ihnen momentan nicht bieten, aber er ruft an und lässt sich berichten, wie es steht. Daraus werden manches Mal lange Telefonate, in denen er Dinge zu hören bekommt, „die ich so niemals bei laufendem Chorbetrieb erfahren hätte“.

Hoffnung für freiberuflich tätige Musikerinnen und Musiker
Neben seiner Arbeit in der Gemeinde ist Volker Linhardt auf Ebene des Kirchenkreises sowie als Vorsitzender des Nordelbischen Kirchenmusikerverbandes engagiert. „Rund siebzig Prozent meiner Tätigkeit findet am Schreibtisch statt, durch die Pandemie mit stark steigender Tendenz“, berichtet er, „Ich stimme Termine ab und organisiere Aktivitäten. Gemeinsam mit meiner Kollegin Katja berate ich Gemeinden. Wir kümmern uns um Instrumente, halten Regionalkonvente ab oder organisieren Fortbildungen.“ Kurzarbeit kennt die Nordkirche nicht. Alle haupt- oder nebenamtlich tätigen Kirchenmusikerinnen und Musiker sind angestellt. Ihr Gehalt wurde ohne Abzug fortgezahlt. Anders sieht es mit denen aus, die für Gage oder auf Honorarbasis in Kirchen musizieren. Für diese Gruppe ist der Nordelbische Kirchenmusikerverband allerdings nicht zuständig. Aber Volker Linhardt als dessen Vorsitzender hat Hoffnung, auch dieser Gruppe im Falle einer Lockerung der Kontaktregeln unter die Arme greifen zu können: „Mein Kantatenchor bräuchte einen Vorlauf von bis zu vier Monaten, um mit anspruchsvollen Stücken aus seinem Repertoire wie beispielsweise Bachs Johannis-Passion konzertieren zu können. Berufsmusiker dagegen sind spontan einsetzbar. Sie könnten uns helfen, die Leerstellen im sonst reichen Konzertprogramm der Nordkirche zu füllen“. Dafür aber muss Geld vorhanden sein. Durch die Corona-Pandemie stehe die Nordkirche vor einem Minus von mehr als 60 Millionen Euro, verkündete die Evangelische Kirchenzeitung bereits letzten Sommer.

Bild: ©Simon Landt

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