Stimmen zur Lage der Musikszene Schleswig-Holsteins

Wir waren am 27. Januar 2021 telefonisch verbunden mit Selke Harten-Strehk vom Verein der Musikfreunde Kiel. Die Musikwissenschaftlerin engagiert sich seit über sechzehn Jahren ehrenamtlich als Vorsitzende ihres Vereins – er ist langjähriges Mitglied im Landesmusikrat. Anstatt bereits mit Plänen für die übernächste Saison schwanger zu gehen, blickt sie auf das zurückliegende Jahr und das, was nun direkt vor ihr liegt.

Selke Harten-Strehk: "Wir brauchen Politiker, die unsere KULTUR WERT
schätzen und nicht als Freizeitvergnügen abtun!"

Im September hoffnungsfroh aber vorsichtig mit reduzierter Platzanzahl gestartet, endete die neue Konzertsaison 2020/21 nach wenigen Wochen im erneuten Lockdown. Während die Musikfreunde sonst pro Jahr gut 40 Veranstaltungen planen und durchführen, stand plötzlich in der Geschäftsstelle deren Rückabwicklung an. Neben Orchesterkonzerten und Klavierabenden gehören dazu musikalische Matineen, Konzertreisen sowie die Nachwuchsförderung durch das „Podium der Jungen“. Jeder Storno musste über das Ticketsystem händisch aufgerufen und wunschgemäß in einen Gutschein oder eine Spendenbescheinigung umgewandelt werden. Die Mitglieder und Kunden erhielten per Brief oder Mail Nachricht, dass ihre Abos nur zum Teil bedient werden bzw. ihnen für bereits bezahlte Karten keine Konzerte angeboten werden konnten. Dank zahlreicher Spenden konnten die Freischaffenden unter den gebuchten Musikerinnen und Musikern Ausfallgagen erhalten. Mit den Spielstätten wurden flink Ersatztermine vereinbart und Saalmieten neu ausgehandelt.

Proportionale Mengen statt starrer Obergrenze

Bis Juli hatte es gedauert, die im ersten Lockdown für den Zeitraum vom Anfang März bis Ende Juni abgesagten Konzerte abzuwickeln. Diese Kraftanstrengung stand erneut an. Im Sommer sei die Wiederaufnahme der Konzerttätigkeit absehbar gewesen, berichtet Selke Harten-Strehk. „Doch jetzt im Winter fehlt uns eine Perspektive. Nichts geht.“ Mitte April stünde das nächste Konzert des Philharmonischen Orchesters an. Unter Einhaltung der zuletzt gültigen Hygieneregeln wäre im Saal des Kieler Schlosses Platz für bis zu 300 Gästen. Die für den Nachmittag geplante Konzertwiederholung sorgt für eine Verdopplung der Auslastungszahl. Damit kämen insgesamt 600 Personen in den Musikgenuss. „Die brauchen wir auch”, meint Selke Harten-Strehk, „mit dieser Menge kämen wir dort klar.” Zudem ergab eine mit über tausend Beteiligten repräsentative Umfrage, die die Musikfreunde gemeinsam mit dem Theater Kiel im Herbst online durchgeführt haben, dass die jeweils passgenau ausgearbeiteten Hygienekonzepte beim Publikum eine sehr positive Resonanz erhalten haben. „Starre Obergrenzen machen wenig Sinn“, so ihr Fazit, „vielmehr kommt es auf die Größe eines Raumes und dessen Lüftungssituation an.“ Die finanzielle Lage ihres Vereins sei zwar noch nicht bedrohlich, aber die Planungsunsicherheit ließe die durch Abonnements gesicherte Vorfinanzierung kommender Programme nicht zu. Das ist auch für die Künstlerinnen und Künstler ein gravierendes Problem. Und wenn im Herbst der Konzertsaal dicht gemacht wird, damit dessen Renovierung beginnen kann, bleiben nur Spielstätten wie St. Nikolai oder die Ansgarkirche, die nach den zuletzt geltenden Bestimmungen weit weniger Menschen aufnehmen könnten. „Eine Obergrenze von hundert Plätzen ist für uns keine Basis”, kündigt die Kulturmanagerin resolut an: „Defizitäre Veranstaltungen können wir uns in der nächsten Saison definitiv nicht noch einmal leisten.”

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